Der Corona Lockdown bietet ganz unerwartet auch seine positiven Seiten!: So beschert er den Bikern in der Jungfrau-Region fast freie Fahrt auf den Wanderwegen aufgrund der Tatsache, dass die Bahnen zwischen Grindelwald und Wengen noch nicht in Betrieb sind und somit von erhöhtem Wanderer-/Spaziergänger-Aufkommen noch verschont bleibt. Ein kurzer Blick auf die Live-Webcams der Männlichen und der Kleinen Scheidegg zeigt fast gänzliche Schneefreiheit auf dieser Höhenlage und gute bis sehr gute Wettervorhersagen versprechen an Pfingsten 2020 eine einmalige Gelegenheit!
“Biker-Paradies Jungfrau-Region, wortwörtlich…”
Das lassen auch wir uns nicht entgehen und stehen um 09:00 Uhr am Bahnhof Zweilütschinen bereit um die ersten 300 hm mit der Berner Oberland Bahn zurückzulegen! Und wir sind nicht die einzigen: Nebst ein paar vereinzelten Wanderern wird sowohl der Parkplatz beim Bahnhof Zweilütschinen als auch der Zug nach Grindelwald vor allem von Bikern bevölkert! Und die Bikes sorgen dafür, das im Zug der geforderte Mindestabstand zumindest einigermassen eingehalten wird… 😉
Wir verlassen beim Terminal den Zug, entflechten uns aus der Wintersport-Abfertigungs-Maschinerie und geniessen erst einmal die frische Bergluft und die eindrückliche Sicht auf die Eigernordwand, bevor wir uns in den Aufstieg machen. Wir wählen, anders als die meisten Biker, nicht den direkten Aufstieg zur Kleinen Scheidegg, sondern gönnen uns noch einen Abstecher zur Männlichen und gut 160 hm mehr…, dafür sind wir im Aufstieg aber fast alleine Unterwegs!
Immer wieder geniessen wir die spektakulären Aussichten auf die umliegende Bergwelt, zumindest solange diese noch nicht von Wolken umhüllt ist, und schrauben uns so fast unbemerkt und locker hoch bis zur Mittelstation der Männlichen-Bahn. Nun wird es etwas steiler, und sowohl die Vegetation als auch die Luft dünner, und Flurnamen wie “Habsucht, Bodmi und Heeje Hubel” lassen Böses erahnen… 😉
Da stärken wir uns doch gleich einmal mit mitgeführten Backwaren und anderen, zuckerhaltigen Leckereien und werfen uns später auch noch eine Schicht Kleider über, denn je höher wir kommen, desto frischer wird nicht nur der Wind. Und auch die Sonne versteckt sich schon mal hinter der ein oder anderen Wolke, aber immerhin haben wir nun unseren erstes Etappenziel, die Männlichen vor Augen… 😉
Auf der Männlichen, auf 2222 m.ü.M. suchen wir uns erst einmal ein etwas windgeschütztes Plätzchen um unsere Rucksäcke weiter von Essbarem zu befreien und uns für die Überfahrt zur Kleinen Scheidegg und auch für die Lauberhorn Abfahrt gebührend zu stärken und knipsen selbstverständlich auch das obligat Gipfel-Foto…! 😉
Dann machen wir uns auf den Höhenweg hinüber zur Kleinen Scheidegg, und hier wird uns bewusst, dass diese Gelegenheit, wir sind bis auf ein zwei verwegene Wanderer praktisch alleine unterwegs, so wirklich einmalig ist: Der Weg ist zwar noch nicht komplett vom Schnee und von kleinen Bergrutschen befreit, für uns Steilstück gewohnte Bergziegen aber auch mit dem Bike kein Problem! Und sobald die Bahnen wieder fahren, wird dieser Weg von Massen von Wanderern und Spaziergängern in Beschlag genommen, dass für Biker hier kein Durchkommen mehr ist!
Kurz vor der Kleinen Scheidegg betrachten wir kurz die Szenerie vor dem einzigen geöffneten kleine Bistro, dass mit der Anzahl Bikern doch etwas überfordert scheint und machen uns direkt auf den schmalen Trail hinauf zur Rinderhitta wo das Biker-Aufkommen nun deutlich höher ist, aber keineswegs ein Problem darstellt; Unter Bikern wird geplaudert und gewitzelt, so dass irgendwie fast etwas Happening-Stimmung aufkommt…
Bei der Rinderhitta, etwa auf halbem Weg zwischen dem Start und dem Hundschopf mitten im Traversenschuss steigen wir in die berühmte Lauberhorn Abfahrt ein, einfach statt mit Skiern mit dem Bike und nicht ganz so schnell wie Beat Feuz, unserem Emmentaler Ski-Ass…
“Die Lauberhorn Abfahrt ohne Schnee mit dem Bike: …ein Traum!”
Das Gelände wird nun steiler, aber auch interessanter und bietet bereits vor dem Hundschopf einige Serpentinen, die aber mit etwas Technik durchweg gut fahrbar sind. Erst beim Hundschopf wird es richtig knackig: Was von den Ski-Rennfahrern im Winter einfach mal übersprungen wird, bedarf mit dem Bike schon etwas filigranerer Technik… (…die effektive Steilheit kommt auf den Bildern natürlich nicht zur Geltung…!)
“….mit 10 Hundertstel Vorsprung passiert Feuz den Hundschopf und springt weiiiiit hinunter, das gibt eine neue Bestzeit…!!!”
Wir fühlen uns gleich im Rennmodus, stürzen uns ebenso den Hundschopf hinunter nehmen fast im gleichen Atemzug auch noch die Minschkante, dann den Canadian Corner und biegen elegant auf den Alpweg ein… 😉
Ernsthafterweise sind wir beeindruckt von der Strecke, auch ohne Schnee und pickelhart präparierter Oberfläche: Wir rollen zackig den Alpweg entlang, nehmen elegant das Kernen-S (das frühere Brüggli-S) und düsen, mit einem kleinen Zusatzschlenker unter der Bahn bei der Wasserstation hindurch auf das Gleiterstück bei Langentreien. Nach diesem wagen wir einen kurzen Blick den Hanegg-Schuss hinunter der aufgrund eines fehlenden Weges nicht fahrbar ist, und rollen dann auf dem Weg weiter in Richtung Allmend (Slalom-Start).
So gelangen wir zwar nicht mit neuer Bestzeit, aber immerhin sturzfrei nach Wengen hinunter und schlängeln uns dort durch die schon wieder ansehnlichen Menschenmassen auf den offiziellen Radweg, der uns auf zahlreichen Serpentinen hinunter nach Lauterbrunnen und weiter der Lütschine entlang bis zum Ausgangspunkt an den Bahnhof von Zweilütschinen führt.
Eine wirklich einmalige Tour, die so wohl nie wieder durchführbar sein wird…!
Gesamtanstieg: 2114 m
Gesamtzeit: 07:25:26
Daran habe ich die letzten Wochen auch mal gedacht. Hatte vor Jahren in einem schneelosen November auf der Firstseite ein ähnliches Erlebnis – 1 Tag lang menschenlos an einem der Top Touristenspots biken – war damals surreal und wird es bei euch noch mehr gewesen sein. By the way wieder mal tolle Bilder!
Das war definitiv surreal, fast nur Biker unterwegs! Und wird so wohl auch nie mehr sein…. !!